Schlagwörter
Briefwechsel, Flirt, Liebesbrief, Martha Bernays, Sigmund Freud
Ja, man mag es kaum glauben, aber man kann von dem rationalen Herren der Psychoanalyse einiges über die Liebe und das Flirten lernen. Sigmund Freud lernt im Alter von 26 Jahren die 21-jährige Martha Bernays kennen und lieben. Doch wie es nun einmal bei Fernbeziehungen so ist (Matha lebte zumeist in Hamburg bei ihrer Mutter), die räumliche Trennung muss anderweitig kompensiert werden. Und hier kommen nun sämtliche Taktiken zum Einsatz, die der Meister so kennt.
Martha hatte bereits eine lange Liste an Verehrern, in die sich Freud nun eingereiht hatte. Er musste sich also besonders bemühen, um ihre Gunst zu gewinnen. Für ihn war das zunächst aufgrund seines nicht immer einfachen Charakters etwas schwierig: ein eifersüchtiger, gelegentlich paternalistischer und besserwisserischer Arzt, der noch dazu pleite war und permanent Geld von seinen Freunden leihen musste… Die Schwierigkeiten sind unübersehbar. Romantik musste her, und was eignet sich besser dazu als ein klassischer Strauß Rosen für die Angebetete! Bernays bedankt sich artig während Freud den nächsten Schachzug plant. Schüchtern schreibt er ihr: „Es war heute so wunderbar schön in ihrem Hause, in ihrer Nähe, aber es widerstrebte mir, die wenigen Momente, in welchen Eli uns allein ließ, für meine eigennützigen Absichten zu verwerten; es wäre mir wie eine Verletzung der herzlich gebotenen Gastfreundschaft erschienen (…).“
Wenig später geht er mutig einen Schritt weiter, er möchte „vollste Klarheit in ein Verhältnis bringen, welches dann vielleicht für lange mit dem Dunkel des Geheimnisses umhüllt werden muß.“ Gemeint ist natürlich ein baldiger Heiratsantrag. Wie es aber nicht anders kommen konnte, muss er seinen Plan kurzfristig auf Eis legen, da Martha wieder nach Hamburg abreist. Doch die Devise lautet: Dran bleiben!
„Wenn Du wieder kommst, süßes Mädchen, werde ich die Befangenheit und Steifheit, die mich in Deiner teuren Gegenwart beengten, überwunden haben. Wir werden uns wiederum allein in Eurem so netten Zimmerchen finden, mein Mädchen wird sich in den braunen Lehnstuhl niederlassen, aus welchem wir gestern so plötzlich emporgeschreckt sind, ich zu ihren Füßen auf dem runden Schemel, und wir werden von der Zeit sprechen, da nicht der Wechsel von Tag und Nacht, nicht das Eindringen Fremder, kein Abschied und keine Besorgnis uns trennen wird.“ (Da fragt man sich schon, was eigentlich im besagten Lehnstuhl passiert ist, oder?)
Während Bernays munter ihren ehemaligen Verehrern von ihrem baldigen Glück erzählt, treibt sie Freud damit zu rasender Eifersucht. Er würde ihr gerne glauben, das er der einzige Mann in ihrem Leben sei, doch das Unbewusste und Triebhafte kennt nun mal kein Pardon, somit sind Vorwürfe an Martha vorprogrammiert. „Halt mich nicht für argwöhnisch, mich quält nur der Gedanke, daß Du abwesend bist und ich mich Dir nicht verständlich machen kann, und die Neigung, die Verhältnisse für stärker zu halten als den Willen der Menschen, die ich aus meinem Bildungsgange erworben habe“.
Ganz bewusst streicht er diese Zeilen durch und schickt sie gemeinsam mit einem neu aufgesetzten Schreiben, in dem er sich für seine Eifersucht entschuldigt, auf die Reise zu Martha. So geht das das ganze Jahr über weiter (Komplimente, Tratsch, Eifersucht) bis Martha das Warten leid wird und sich bei Freud beschwert: „Wenn ich mir manchmal denke, soll das nun noch zwei oder drei Jahre so fortgehen […]“. Doch auch für dieses Problem hat der Psychoanalytiker eine Lösung: Gut zureden… „Bleib gut und stark, mein herziges Mädchen.“ Martha blieb stark und dürfte erleichtert gewesen sein, als im Jahr 1886 die Hochzeitsglocken endlich klingelten…
Auszüge aus Freuds Briefen: http://gutenberg.spiegel.de/buch/briefe-auszuge-6433/1